SURE!, aber bitte „No Las Vegas!”

3.30 am! Wecker klingeln! Warum tut man sich das eigentlich an im Urlaub?
Glücklicherweise waren wir in USA. Ich glaube, in Deutschland hätte ich die Boys um diese Zeit nicht aus den Betten bekommen. Hier ging es aber recht einfach. Ruhig und entspannt zogen sich alle an, packten die letzten Dinge in die Rucksäcke.
Wir hatten uns gestern Abend noch ein paar Bagels geschmiert. Aber Hunger hatte keiner von uns so früh am Morgen. Also wurden sie noch als Proviant eingepackt.

Draußen war irgendwie eine ganz besondere Stimmung. Es war still (OK, nicht so still wie in der Wüste) und wir hatten einen absolut klaren Sternenhimmel über uns. Das würde bestimmt ein toller Sonnenaufgang geben und somit tolle Bilder....

Am andern Wohnwagen rührte sich auch etwas und wir sammelten uns. Pünktlich um 4.30am ging es los zur Busshuttle-Haltestelle. Mit der Village Route ging es zum Visitor Center. Hier mussten wir umsteigen. Ob wir nun in den Hiker’s Shuttle oder die „normale“ Orange Line einstiegen, weiß ich nicht. Ist aber auch egal, wir kamen ohne weiteren Zwischenstopp da an, wo wir hinwollten - zum Trailhead des South Kaibab Trails.
Aber ich empfand die Fahrt als etwas ganz Besonderes. Alle Passagiere gehörten irgendwie zu einer eingefleischten Gemeinde. Wer hier zu dieser frühen Uhrzeit mitfuhr wollte das gleiche -  und zwar runter in den Canyon!

Am Trailhead legten wir noch einmal eine Toilettenpause ein und präparierten uns für den Hike: letzte Einstellungen an den Rucksäcken wurden vorgenommen, GPSe gestartet, Kameras startklar gemacht und die ersten Bagels in die Hand genommen. Um 5.30 starteten wir Richtung Bright Angels CG.

Ganz ehrlich: So ganz ungezwungen und „jungfräulich“ ging ich dieses Mal nicht an die Wanderung. Ich wusste nun sehr genau, was auf uns zukam. Und es würde nicht einfacher werden...But, Just do it!

Grand Canyon von obenAm Anfang war der Weg noch ganz gut zu laufen. Er war steil, aber eben und ohne viele Stufen. Es war schon hell genug, dass wir ohne Lampen gehen konnten. Alles war leicht bläulich gefärbt.

Aber was war denn das? Von Süden her - also über das Rim kamen doch tatsächlich Wolken auf. Mit Sonnenaufgangsbilder war nun nicht mehr viel. Außerdem waren es sehr dunkle Wolken und wir hörten Donnergrollen. Nicht lang und uns hatte der Regen eingeholt. Wir verstauten unsere Kameras. Regenjacken hatten wir nicht dabei - sollte ja schönes Wetter sein -, dafür hatten unsere Rucksäcke Regencaps.

Ein bischen SonnenaufgangZu dem Regen gesellte sich nun auch noch ein starker Wind. Abwechselt. Da wir teilweise am Hang gingen, wehte er uns den Sand ins Gesicht und mir in die Augen. Ganz blöd mit Kontaktlinsen. So ging es nun den gesamten Abstieg über. Abwechselnd regnete es oder Windböen fegten über uns hinweg. Der Canyon hing in einer grau-braunen Suppe und war nicht mehr sehr fotogen.

Inzwischen nervte uns auch der Weg. Nicht nur, dass es ständig - ohne Pause- bergab ging. Große Teile des Weges waren mit Baumstämmen in Stufen gestaltet. Die Pferde und Lasttieren hatten die Erde vor den Baumstämmen ausgetreten, so dass hier teilweise richtig tiefe Löcher entstanden sind. Das Laufen machte keinen Spaß, weil man immer aufpassen musste, wo man hintrat. Außerdem waren die Stufen unterschiedlich hoch und das stete Abwärtsgehen merkten wir bald in den Knien.

Black BridgeAls endlich die Black Bridge in Sicht kam und damit das Ende des Weges, regnete es sich so richtig ein. Der Regen kam von oben in Schnürbändeln herunter - und wir wollten campen?!

Wir überquerten die Brücke und gingen die letzten Meter zum Bright Angel Campground. Ein Plan am Anfang zeigte uns, wo wir die Gruppen-Sites fanden. Es gab hier unten 2 Stück davon und einer - Jubel, Jubel - hatte einen Unterstand. Und da wir die ersten hier unten waren und man sich die Campsites aussuchen konnte, nahmen wir die Gruppensite mit Unterstand.

CampsiteHierin zogen wir uns erst einmal zurück und verschnauften. Die 7,5 Meilen und 4759ft Höhendifferenz hatten wir in 5,25 Stunden (inkl. Pausen) bewältigt. Wir schmissen die Rücksäcke in die Ecken und versuchten die nassen Capes und Jacken irgendwo aufzuhängen.
Holger kramte Wasserkocher und Kaffeekanne aus dem Rucksack und kochte uns erst einmal einen schönen warmen Kaffee. Das tat nun gut. Nach einer Weile versuchten wir uns zu orientieren. Wir brauchten Toiletten und frisches Wasser.

Inzwischen hatte es auch aufgehört, zu regnen. 

Beim Campground gab es aber leider kein Wasser. Ein Schild besagte, dass es Wasser zurzeit nur an der Phantom Ranch gab. Na toll, so richtig die 10 Minuten dahinlaufen wollte ja zur Zeit keiner mehr. Glücklicherweise hatten wir von unserer ersten Canyon-Wanderung gelernt und 2 leere Wasserkanister mitgenommen. So konnten wir nun wenigstens gleich 6 Liter auf einmal holen.

Ich marschierte mit Kevin und Justin los. Tatsächlich gab es an der Ranch Wasser. Ich schnappte mir auch gleich zwei Junior Ranger Booklets, denn hier unten an der Phantom Ranch konnte man ein eigenes Abzeichen erlangen, welches man sonst nirgends bekommen konnte.

Phantom Ranch Phantom Ranch Cabins Wasser zapfen

CampsiteWir bauten die Zelte auf, solange es trocken war und richteten uns auf der Site ein. Es gab zwei Tisch-Bank-Kombinationen. Unsere Junioren fingen an, die Ranger Booklets zu bearbeiten und die Teenies spielten Karten.

Holger und ich hatten uns ausgeruht und wollten nun auf Entdeckungstour gehen. Während wir nun Richtung Colorado gingen, verzogen sich doch tatsächlich zusehends die Wolken und blauer Himmel und Sonne kamen hervor. Im nu wurde es warm!

Wieder zurück an der Site halfen wir Marwin und Jeremie beim Ausfüllen der Booklets. Um 4pm war ein Rangerprogramm. Dieses brauchten die Zwei, um auch Ihre Abzeichen oben am Rim zu bekommen. Und davor wollten wir noch bei der Rangerstation vorbei, damit die Zwei hier unten Ihren Schwur ablegen konnten.

Die Rangerin war total nett. Wahrscheinlich kommt es auch nicht so oft vor, dass hier unten kleinere Kinder ankamen, die am Junior Ranger Programm teilnehmen wollten. Sie nahm sich viel Zeit für die Beiden, half bei den Aufgaben, die wir nicht lösen konnten und nahm ihnen dann den Rangerschwur ab.

In den obligatorischen Text ließ sie aber noch die Worte

and always, always.... always will do everything, what my parents tell me.. 

einfliesen. Marwin bemerkte seinen Fehler exakt in dem Moment, in dem er es nachsprach. Jeremie leider konnte es nicht merken, denn er hatte ja noch kein Englisch in der Schule. Und so war es zu spät. Geschworen ist geschworen....

Junior Ranger Junior Ranger Ranger-Schwur Ranger-Schwur

Ranger Programm Danach hörten wir uns das Rangerprogramm an. Wir saßen inmitten der kleinen Cabins auf der Phantom Ranch unter einem riesigen Baum. Das Licht war richtig schön. Und die Rangerin erklärte uns die Entwicklung des Canyons in der wohlbekannten hochmotivierten und bekannten Art der Nationalpark Ranger. Ich war begeistert.
Blick zum RimDie Atmosphäre ist einfach einzigartig hier unten. Jeder, der hier unten angekommen ist, hat etwas geleistet. Der Blick hoch zum Rim lässt einen die Historie erahnen. Im Angesicht der langen Erdgeschichte wird man klein, unbedeutend und demütig.

Und wenn Ihr mich nun fragt, ob ich Euch die Entstehung des Canyons erklären könnte, antworte ich Euch einfach: SURE!

  • S                                Sediments
  • U                                Uphill
  • R                                River
  • E                                Erosion

Unseren Kleinen wurden allerdings die Fachbegriffe mit der Zeit zu langweilig. Trotzdem erhielten sie ihre Unterschrift.

Müde Wanderer Müde Wanderer

Es ging zurück auf die Site. Ein schon ziemlich voller Mond hing über uns am Himmel. Es war eine sehr Atmosphäre.

Sunset im Canyon Sunset im Canyon Mond Mond

Der Campground hatte sich über den Nachmittag gefüllt. Und auch auf unserer Nachbar-Site war eine weiter Gruppe eingezogen. Während wir zu Abend aßen, kam die Rangerin noch einmal vorbei. Sie war wirklich jede Site abgelaufen, hatte die Permits kontrolliert und warnte jeden absolut eindringlich, alles Essbare oder in Plastiktüten verpackte (was aussieht als wäre es essbar) in die Metallboxen, die auf jeder Site standen, zu verschließen. Die Tiere hatten gelernt, wo es was Leckeres zu essen gab. Und selbst das Aufhängen von Rücksäcken schützte nicht vor den Tieren.  

Außerdem ermahnte sie uns noch:

No Las Vegas! 

Sollte heißen, bei Toiletten-Besuchen usw. sollten wir aufpassen, wo wir mit unseren Taschenlampen hin leuchteten und niemanden stören.

Als es dunkel wurde, zogen wir uns alle in die Zelte zurück. Nach drei Runden UNO bin ich tatsächlich auch relativ schnell eingeschlafen. Aber dann wurde ich gegen Mitternacht wieder wach. Es donnerte und blitzte. Ein starker Regenschauer zog über uns hinweg. Der Donner wurde von den Berghängen um uns reflektiert, das tierisch laut war! Was genau draußen vor sich ging, konnte ich im Zelt nicht sehen. Licht und Schatten zogen immer wieder um das Zelt. Mir war nicht wohl. Immerhin lagen wir trocken. Aber ich passte auf, dass ich ja nicht an das Innenzelt kam. Und auch Marwin rückte ich immer wieder zurecht, aus Sorge, er könne ans Zelt kommen. Habe ich schon erwähnt, dass die Zeltabenteuer in diesem Urlaub, die ersten für mich waren?

Ich lag da, beobachtete die Lichtscheine und hoffte nur, dass endlich das Gewitter - dass sich bestimmt direkt über uns befand - endlich aufhörte. Irgendwann schnappte ich mir dann doch die Hand meines Mannes. Warum lag ich nur hier unten im Canyon in so einem labberischen Zelt???

  • Gefahrene Gewanderte Meilen:  7,5 mi
  • Zeit unterwegs:  5,25 h
  • Campground:  Bright Angel Campground
  • Besonderheiten: SURE, No Las Vegas!!!, tolle Rangerinnen
                                      Aber bitte kein Gewitter mehr im Zelt...